Dienstag, 18. April 2023

Rezension: Caroline Wahl * 22 Bahnen

Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Verlag: Dumont
ISBN-13:
978-3832168032
Preis: 22,00 EUR
E-Book: 17,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: April 2023
 
 
 
 
Inhalt:
Tilda muss den Spagat zwischen Studium, Nebenjob und kleiner Schwester hinbekommen und das ist unglaublich kräftezerrend. Ihr Highlight des Tages ist deswegen das Schwimmen im Freibad, Alltag aus und Freiheit an, zumindest für 22 Bahnen lang. Danach kurzer Plausch und schnell nach Hause zur kleinen Ida und ihrer alkoholkranken Mutter. Hier könnten immer böse Überraschungen lauern und Tilda muss viele kleine Brandherde löschen. So steht ihr Leben im Stillstand und dabei möchte ihr Professor, das sie die Kleinstadt verlässt und sich auf eine Stelle in Berlin bewirbt, um mit ihrem Talent weiter voranzukommen. Tilda liebt Mathe, aber auch Ida und als auch noch Viktor ins Freibad kommt, steht ihre Welt kopf. Wie kann sie ihrer Verantwortung gerecht werden und doch frei für ihr eigenes Leben sein? Kann sie ihre kleine schüchterne Schwester Ida zur Kämpferin machen? Und hat Tilda bei Viktor überhaupt eine Chance?

Meinung:
Dieses Buch kam mit der Frühjahrsvorschau vom Verlag und eigentlich wollte ich es gar nicht lesen. Dann fragte mich eine Freundin danach, ob sie es sich ausleihen dürfte, denn es wird gemunkelt, dass es ein richtig tolles Buch sein soll und na ja, dachte ich, liest du halt mal vorher rein. Sind ja nur um die 200 Seiten. Und was soll ich sagen, ich habe es keine Sekunde gereut, keine und warum versuche ich euch jetzt zu erzählen.

Tilda ist Anfang zwanzig, studiert Mathe, ist ein kluger Kopf und doch im Hier und Jetzt gefangen. Ihre Mutter ist Alkoholikerin und glänzt durch Ständiges nicht vorhanden sein, aber das ist besser als ihre Attacken auf die Kinder. So musste Tilda schnell erwachsen werden, wie gut das sie damals ihre Freundin Marlene und deren Familie hatte, aber nun ist da auch Ida und Tilda kümmert sich hingebungsvoll um sie. Während also ihre alten Freunde in die weite Welt hinausziehen, bleibt Tilda zurück und für Ida macht sie das gern, aber nun bekommt sie eine Empfehlung für eine Stelle in Berlin für ihr Studium und ihr Kopfkarussell dreht voll auf. Nun heißt es mit Ida sprechen oder besser Ida zur Kämpferin ausbilden und das ist ein fast undurchführbarer Plan. Und als ob das nicht allein schon viel Energie kostet, taucht auf einmal Viktor auf. Viktor, der große Bruder von Ivan und mit Ivan, wollte sie mal ans Meer. Eine mutige, starke und großartige Tilda mit ihr möchte man einfach befreundet sein.

Familie, Familie kann man sich nicht aussuchen, die hat man und man könnte ganze Bibliotheken mit deren Geschichten füllen. Tilda hat mit ihrer Familie kein großes Los gezogen.

Caroline Wahl erzählt ihre Geschichte frisch, anders und absolut inspirierend. Dabei spielt Humor eine Rolle, aber man hat auch jede Menge Szenen, die Berühren und aus einer Sommergeschichte eine mit Tiefgang macht. Dieses kurze Buch ist intensiv, berührend und auf so vielen Ebenen einfach lesenswert. Die Figuren waren so stark, Tilda, die Kämpferin, Ida, die kleine Heldin und erst Viktor, der Schweigsame. Schwere Schicksale verpackt in normalen Lebenssituationen, die einem nahe gehen und nicht kalt lassen. Und ja, in manchen hat man das Gefühl von Leichtigkeit und im nächsten einen Kloß im Hals. Ein wahres Spektrum vom Erwachsenwerden und die Last der Welt zu früh geschultert zu bekommen.

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie gut mir dieses Buch gefallen hat, was natürlich an den Figuren lag, an dem Kampf ums eigene Leben, Freiheit, aber auch um ein Leben für die kleine Schwester, Wut, Hilflosigkeit und dann auch noch das irre Schmetterlingskarussell der Liebe. So viele Themen, so viel Leben eingefangen in knapp 200 Seiten und ich kann nur sagen Chapeau liebe Autorin, das ist ihnen fantastisch gelungen. Was habe ich die Kassenszenen geliebt, die altklugen Sprüche von Ida, den Paktismus von Tilda und natürlich die Beständigkeit von Viktor. Dieses Buch gibt so viel und bleibt im Kopf und im Herzen.

22 Bahnen ist ein Buch was fantastisch erzählt ist, frisch, intensiv und berührend. Mit Figuren, die einen bewegen und nicht mehr loslassen. Absolute Leseempfehlung.
 
Henry und ich hatten überraschend fantastische Lesestunden und dafür gibt es die vollen Bücherpunkte:  
 
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Über die Autorin:
 
 
 

 
CAROLINE WAHL wurde 1995 in Mainz geboren und wuchs in der Nähe von Heidelberg auf. Sie hat Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin studiert. Danach arbeitete sie in mehreren Verlagen. ›22 Bahnen‹ ist ihr Debütroman. Caroline Wahl lebt in Rostock.
 
Quelle: Dumont Verlag 
 
Vielen lieben Dank an den Dumont Verlag für das  Rezensionsexemplar.

Freitag, 3. März 2023

Rezension: Jo Leevers * Café Leben

Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Droemer  
ISBN-13:
978-3426282809
Preis: 20,00 EUR
E-Book: 17,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: November 2022
Übersetzer*in: Maria Hochsieder
 
 
 
 
Inhalt:
Henrietta muss unbedingt diesen Job bekommen, unbedingt, sonst hat sie ein Problem. Obwohl, das hat Henrietta ja so schon, denn sie ist speziell, mit Menschen kann sie nicht so gut und grenzt sich gern aus, da ist der Job für sie wie gemacht. Sie soll an einem Tisch im Café der Rosendale-Krebsambulanz sitzen und todkranken Menschen zuhören und deren Lebensgeschichte aufschreiben, damit die Angehörigen etwas haben, woran sie sich festhalten können. Für Sentimentalitäten hat sie keine Zeit, alles muss akribisch und mit Checkliste aufgeschrieben werden. Doch als Annie an ihrem Tisch tritt, ist schnell klar, dass ihr Plan alles nach Vorschrift zumachen, nicht funktioniert. Annie möchte nämlich gar kein Buch, für wem auch da gibt es niemanden, aber sie möchte sich ihre Geschichte von der Seele sprechen. Henrietta hört zu und merkt schnell, dass in dieser Geschichte etwas nicht stimmt und so beginnt sie herum zu schnüffeln und merkt erst spät, das ihr die Lebensgeschichte näher geht als gedacht. Was wird Henrietta über Annie heraus bekommen? Ist Abstand zum Leben wirklich zu empfehlen? Und wird Henrietta über sich selbst hinaus wachsen?

Meinung:
Als ich damals durch die Verlagsvorschauen blätterte, ist mir dieses Buch ins Auge gesprungen und der Klappentext hörte sich super an. Wir grenzen in unserem Leben den Tod gern aus, aber doch gehört er dazu. Und der Spruch, dass jeder Mensch eine Geschichte hat, die sich zu erzählen lohnte, war dann das i-Tüpfelchen, das ich es unbedingt auch lesen wollte. Außerdem wollte ich wissen, wie die Autorin mit dem Thema umgeht und nun habe ich es gelesen und erzähle euch, wie es mir gefallen hat.

Henrietta lebt mit ihrem Hund Dave zusammen und hält sich gern aus dem Leben raus, nicht nur bei anderen, sondern auch bei ihrem Eigenen. Sie ist diszipliniert, akribisch und empathielos. Klare Fakten, nüchtern aufschreiben und der Nächste bitte. Nur funktioniert das Leben so nicht, was Henrietta auch bei diesem Job, den sie bekommen hat, schnell merkt. Ihr reicht das Bloße zu hören nicht, sie möchte das bitte nach Plan und alles detailliert und nach chronologischer Zeitschiene. Ihre erste Lebensgeschichtspatientin macht ihr aber direkt klar, das sie das vergessen kann. Sie möchte ihre Geschichte nach ihrem Tempo erzählen und Annie hat eine traurige Geschichte zu erzählen. Ihre Schwester verschwand mit Anfang zwanzig, ihr Verschwinden wurde nie aufgeklärt und dann rutschte sie in eine gewalttätige Ehe, aus der sie erst vor zwei Jahren raus kam und als ob sie nicht ein bisschen Frieden verdient hätte, bekam sie Krebs. Ihre Uhr tickt ziemlich laut und sie muss schnell erzählen. Und Henrietta lässt Annies Geschichte über die tote Schwester nicht los und sie beginnt nachzuforschen.

Zwei unterschiedliche Frauen, zwei gegensätzige Leben und doch können beide noch voneinander lernen. Diese Idee der Autorin fand ich ganz toll und auch das es ein bisschen nach Kriminalfall roch, konnte mich zu beginn der Geschichte begeistern, aber mit der Umsetzung kam ich am Ende nicht klar.

Henrietta blieb mit ihrer stocksteifen, unnahbaren Art einfach blass, uninteressant, leider sogar nervig bis unerträglich. Obwohl man daraus einen super Charakter hätte machen können. Gerade mit ihren Wunderlichkeiten und mit ihrer eigenen Geschichte im Hintergrund. Da war mir Annie schon näher, sie blühte nach ihrer trostlosen Ehe auf, fing endlich an zu leben und erfand sich neu bis zum nächsten Schicksalsschlag. Ihre Passagen zu lesen fielen mir leichter, obwohl der Inhalt ein trauriger und schmerzhafter war. Die Einbettung des Verschwindens von Annies Schwester tat der Geschichte ganz gut und doch triftet sie irgendwann ab. Das war ein bisschen zu viel des Guten und macht es auch leider unglaubhafter. Überhaupt wurde ich mit der Erzählweise der Autorin nicht warum. Für mich zu nüchtern, holprig und sperrig. Es waren nur 300 Seiten, aber es fühlte sich viel länger an, weil ich überhaupt nicht in den Lesefluss kam.

Ohne Frage, das Begleiten von Freunden oder Familie bei schlimmen Krankheiten ist ein ganz Wichtiger und es ist nicht einfach, mit einer solchen Situation umzugehen. Jeder braucht etwas anderes, manche können ganz unbedarft mit der Person reden und manchen fällt es schwer, überhaupt dort zu sein. Abgesehen davon, was der oder die Sterbende benötigt. Die Tante von meinem Mann war ganz wunderbar, sie hatte die Gabe, es nie nach einem Krankenbesuch aussehen zu lassen, sondern nach einem gemütlichen Kaffeeklatsch. Wir vermissen sie sehr. Dagegen erinnere ich mich an die schlimme Krankheit meines Vaters, der extrem mitleidig und mürrisch war/ist und es einem nicht leicht gemacht hat. Aber wie wichtig es ist, sich mit dem Tod zu beschäftigen, spiegelt auch diese Geschichte wieder. Es gehört zum Leben, aber es ist immer noch ein Tabu-Thema. Vielleicht sollte man offen darüber reden, mutiger sein, sich dem Thema mehr stellen, denn uns erwartet alle das gleiche.

Café Leben beinhaltet ein wichtiges Thema und die Idee dazu finde ich immer noch großartig, nur wurde ich nicht warm mit Figuren und Schreibstil. Mich konnte es nicht erreichen, abholen oder nahegehen, aber viele andere Leser schon.
 
Henry und ich wollten die Geschichte so gern mögen, aber leider wurden wir nicht warm damit und deshalb zwei Bücherpunkte:  
 
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Über die Autorin:
 
 

 
Jo Leevers, geboren und aufgewachsen in London, schreibt für zahlreiche Magazine, u.a. für The GuardianThe ObserverThe TelegraphWorld Of Interiors und Living. Ihr Spezialgebiet ist Interior Design. Sie hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann und der Hündin Lottie in Kent. Café Leben ist ihr Debütroman.
 
 
Vielen lieben Dank an den Droemer Knaur Verlag für das  Rezensionsexemplar.
 

Mittwoch, 1. März 2023

Rezension: Ann-Helén Laestadius * Das Leuchten der Rentiere

Gebundene Ausgabe: 448 Seiten 
ISBN-13: 978-3455012941
Preis: 25,00 EUR 
E-Book: 15,99 EUR 
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Oktober 2022
Übersetzer*in: Maike Barth und Dagmar Mißfeldt
 
 
 
 
Inhalt:
Elsa ist neun, als sie sich mit Skiern auf den Weg zu den Rentieren ihrer Familie macht, denn sie möchte unbedingt zuerst da sein und ihr Rentier sehen. Fast dort angekommen, überrascht sie einen Wilderer, der nicht nur ihr geliebtes Rentier abschlachtet, sondern auch ihr zu verstehen gibt, was passiert, wenn sie ihn verrät. Geschockt bleibt sie zurück, sie kennt diesen Mann, er ist ein Schwede aus dem Nachbardorf und ihre Scham nimmt zu, weil sie sich nicht traut, ihren Eltern alles zu erzählen. Dieser Mann ist schon länger ein Problem, doch die Familie scheint machtlos der Situation gegenüber zu sein, da die Polizei und auch die Politik nichts unternimmt. Der Tod von Elsas geliebtem Rentier wird einfach als „Diebstahl“ abgestempelt, aber sie vergisst nicht. Die Zeit vergeht und Elsa wird erwachsen und für sie gibt es kein Leben ohne die Rentiere und das bedeutet, das sie kämpfen muss, für ihre Familie, für ihre Stammesleute und für ihr Recht. Was kann sie als einzelne Frau bewirken? Wie kann sie für ihr Recht kämpfen? Und was muss noch alles passieren, damit die samischen Rentierhirten erhört werden?

Meinung:
Dieses Buch wurde mit dem Vergleich von „Der Gesang der Flusskrebse“ beworben und ganz ehrlich, ich mag so was nicht. Für mich stand der Titel schon allein ziemlich im Vordergrund und da ich die Polarlandschaft und Rentiere faszinierend finde, war das schon der Ausschlag für mich, es lesen zu wollen. Na gut, ich mag auch Bücher über starke Frauen und war gespannt, ob Elsa so eine ist. Ansonsten hatte ich mich wenig mit dem Thema auseinandergesetzt und habe verdammt viel dazu gelernt. Ob es nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltend war, erzähle ich euch nun.

Elsa ist eine Neunjährige, als die Geschichte beginnt und so erleben wir alles durch ihre Kinderaugen. Wir erleben Streit zwischen den Eltern, Wut auf Polizei und Gesetzgebung, ein Bruder, der vieles ändern möchte und nicht darf und ein Dorf, was ausgegrenzt wird. Dazu kommt der Vorfall mit Elsas Rentier und ihr Unverständnis wächst, warum tut keiner was und sie selbst traut sich nicht, alles zu verraten. Aber sie hält an dem Ohr ihres toten Rentiers fest und vergisst nicht. Der Stapel der abgelehnten Anzeigen wird größer, die Mutlosigkeit nimmt unter den Rentierhaltern zu und das Schweigen wird immer lauter. Ein hartes, unnachgiebiges Leben führen die Samen und Elsa will sich der Resignation nicht anschließen, sie möchte für ihr Recht, ihr Leben und für ihr Volk kämpfen. Und vor allem dem Wilderer das Handwerk legen, denn diese Kindheitserinnerung hat ihr ganzes Leben mit Angst, Scham und Wut begleitet.

Meine Mutter hat sich sehr für Native American interessiert und so einige Bücher angesammelt, die nun mir gehören. Meine Begeisterung hielt sich immer in Grenzen, aber auf Bitten und Drängen hatte ich mal eins angefangen und diese Geschichte hat mit so furchtbar wütend gemacht. Ein ganzes Volk wird ausgemerzt, verdrängt, unsichtbar gemacht und wie Abfall behandelt. Keine Rechte, in Reservate abgeschoben, ausgenutzt und ohne Perspektiven weggesperrt. Was für eine Ungerechtigkeit, welche ein Ohnmachtsgefühl und welch rasende Wut man da empfindet. Da hat sich ein patriotisches Volk nicht mit Ruhm bekleckert und dabei ist es nicht mal ihr Land. So, das musste raus, was ich aber nicht wusste, ist, das es die Schweden ähnlich mit dem Samen (veraltet Lappen) auch so machen. Ein Volk, was hoch im Norden von Skandinavien lebt und sich auf einem Siedlungsgebiet niedergelassen hat. Genau wie die Native American müssen sie mit Rassismus, Ausgrenzung, Menschen zweiter Klasse und ohne Rechte leben, denn der Schwede kommt immer zu erst. Allein für den geschichtlichen Aspekt lohnt es sich, dieses Buch zu lesen. Es ist angefüllt mit Beschreibungen von Traditionen, Stammeskleidung, Festen und deren hartes Leben, ohne die Handlung aus dem Blick zu lassen.

Ann-Helén Laestadius hat eine starke Protagonistin erschaffen, Elsa ist hartnäckig, bleibt am Ball, nervt die Gesetzeshüter, zwingt sie zum Handeln und wird auch selbst zur Spurenleserin. Sie kann die Ungerechtigkeit nicht mehr ertragen und auch das sinnlose töten ihrer Rentiere, was auch die Existenz ihres Volkes bedroht. Eindringlich beschreibt die Autorin die Situation aber auch malerisch und bildgewaltig. Was für eine Landschaft, was man im Schnee alles lesen kann und das knirschen von Schritten im Schnee, war beim Lesen hörbar. Erst hatte ich etwas Sorge, das sie die ganze Zeit aus der Sicht der Neunjährigen erzählt, da alles nur umschrieben wurde, ohne das Thema wirklich zu benennen, aber mit ihren Zeitsprüngen und der erwachsenen Elsa war ich total am Ball. Man fiebert einfach mit, man möchte Gerechtigkeit oder zumindest das die Polizei nicht immer die Augen verschließt und man möchte, dass Elsa ihren Platz bekommt. Denn auch eine Frau hat es in der Welt der Rentierhirten nicht einfach. Viele Themen, toll ausgearbeitet und begeistert geschrieben. Ich fand es großartig.

Das Leuchten der Rentiere ist lehrreich, bildgewaltig und fesselnd. Ein Appell gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit. Beeindruckend und mitreißend erzählt noch dazu.
 
Henry und ich waren extrem beeindruckt und vergeben die vollen Bücherpunkte:  
 
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Über die Autorin:
 
 
 

 
Ann-Helén Laestadius (*1971) ist eine schwedische Journalistin und Autorin und gebürtige Sámi. In Schweden war sie bereits für ihre vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbücher sehr bekannt, bevor sie mit ihrem ersten Roman für ein erwachsenes Publikum, "Das Leuchten der Rentiere", einen Nummer-1-Bestseller landete. Der Roman wurde u.a. als Buch des Jahres 2021 ausgezeichnet. Ann-Helén Laestadius lebt in der Nähe von Stockholm.
 
 
Vielen lieben Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für das Rezensionsexemplar.
 

Montag, 27. Februar 2023

Rezension: Melanie Raabe * Die Kunst des Verschwindens

Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Verlag: btb
ISBN-13
:
978-3442759293
Preis: 22,00 EUR
E-Book: 14,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Oktober 2022
 

 
 
 
 
Inhalt:
Berlin. Die Zeit zwischen den Jahren. Ruhig, magisch, immer anders als der Rest des Jahres. Hier lebt Nico, eine Fotografin, die sich selbst noch nicht gefunden hat und hier ist auch Ellen, die Schauspielerin, die kurz vor einer Premiere steht. Man sieht sich flüchtig, man nickt sich zu und an Silvester begegnet man sich. Sie streifen durch die nächtlichen Straßen von Berlin, erleben den Zauber von einem beginnenden Jahr zusammen und fühlen sich verbunden. Es fühlt sich an, als ob sie sich schon Jahre kennen würden, ein Gefühl von Seelenverwandtschaft, Vertrautheit, ein Bedürfnis, sich zu öffnen, und doch ist Ellen am nächsten Tag verschwunden. Zurück bleiben eine Entschuldigung und die lang verschollene Kette ihrer verstorbenen Mutter. Wie hängt das zusammen? Wo ist Ellen hin? Wofür diese Entschuldigung? Nico lässt das alles nicht los und obwohl sie ganz andere Sorgen hat, muss sie Ellen finden und die Geschichte erfahren, wie sie zur Kette ihrer Mutter kommt. So beginnt Nicos Reise zu Ellen und sich selbst.

Meinung:
Ein neuer Roman von Melanie Raabe und ich kann mich noch an „Die Falle“ so gut erinnern. Das Buch hat mich geflasht, umgehauen und so begeistert zurückgelassen, das ich es heute immer noch gern empfehle. Dann irgendwann hat sich das etwas verloren, ich kann es gar nicht genau betiteln, warum, aber mich konnten die Bücher nicht mehr so erreichen. Nun kam „Die Kunst des Verschwindens“ und das hat mich auf vielen Ebenen angesprochen, das ich es wieder versuchen wollte und was Melanie Raabe mit mir gemacht hat, erzähle ich euch nun.

Ellen ist Schauspielerin, sie hat es geschafft, zum großen Hollywoodstar aufzusteigen und steht gerade vor einen großen Höhepunkt in ihrer jungen Karriere, bis einiges über sie zusammenbricht. Der Ruhm hat seine Schattenseiten und so muss sie sich mit einen Stalker, übergriffigen Fans und Schlagzeilengeilen Medien herumschlagen. Dabei ist ihr bester Freund verstorben und sie darf nicht mal richtig trauern. Zerrissen, wütend und ausgebrannt, begegnet Ellen Nico.

Nico ist Fotografin, nicht so eine, wie sie es gerne wäre, nämlich eine Künstlerin, sondern jemand, der sich mit dem Tagesgeschäft von Bewerbungsfotos und Familienbildern über Wasser hält. Lebt in einer Fernbeziehung und kämpft immer noch mit Albträumen von ihrer toten Mutter. Außerdem gibt es da noch Kurt und sie weiß nicht, wie sie ihren Lieben davon berichten soll. Überfordert, verwirrt und belastet, begegnet Nico Ellen.

Melanie Raabe ist eine Sprachkünstlerin. Das hat sie drauf, das setzt sie gewollt und gekonnt ein, und das hat sie mit dieser Geschichte wieder aufs Feinste bewiesen. Sie baut eine Atmosphäre, die greifbar, spürbar und unter die Haut geht, auf. Lässt einen körperlichen Schmerz mitfühlen und manches ist so intensiv, das man nach Luft schnappen muss. Es gibt so viele Szenen in dieser Geschichte, die mich berührt haben, die ich körperlich und seelisch miterlebt habe, das ist einfach unglaublich. Überhaupt ist dieser Roman mit vielen Emotionen, aber auch mit Erwartungen und Vorurteilen bestickt. Ich konnte es gar nicht wirklich aus den Händen legen und diese Sprachgewalt ist so einnehmend, dass man gefangen ist und in einen regelrechten Sog hineingezogen wird.

Überhaupt finde ich es eine gute Wahl vom Verlag nicht mehr Thriller auf ihren Büchern drauf zu schreiben, sondern Roman. Ohne Frage ist es eine spannende Lektüre, die Wendungen aufzeigt, mit denen man nicht gerechnet hat, die einen an Orte führt, die man im Leben nicht erwartet hat und die eine Geschichte erzählt, die mehr als nur auf einer Ebene spielt. Zwei unterschiedliche Frauen, zwei verschiedene Leben, die nicht gegensätzlicher verlaufen hätten sein können und doch gibt es eine Verbindung, ein magisches Band, was zwei Menschen zusammenführen muss. Melanie Raabe hat ein Talent, über magische Dinge zu schreiben, kein Hokuspokus versteht mich nicht falsch, aber im Leben gibt es doch Dinge, die man eher Schicksal nennt, um nicht magisch zu sagen. Und diese Autorin greift gern so was auf und es stimmt doch, manchmal ist es leichter, sich jemanden Fremdes zu öffnen, als der Familie. Erwartungen, Erfüllungen, Contenance hemmen, doch oft über Wirkliches zu sprechen. Und dieser Roman hat noch viel mehr Facetten, die berühren, melancholisch stimmen und einen zum Nachdenken anregen.

Ohne Frage, das Buch hat mich eingenommen, ich habe es gerne gelesen. Ich habe die Sprache geliebt und jede Seite davon mit Genuss. Melanie Raabe hat mich wieder auf ihre Seite gezogen und mich verzaubert. Danke.

Die Kunst des Verschwindens, ist intensiv, spürbar und geschickt erzählt. Hier wird das Verschwinden auf mehreren Ebenen geschildert, man muss nur genau hinsehen. Lesegenuss pur.
 
Henry und ich hatten solch einen Lesegenuss und vergeben die vollen Bücherpunkte:  
 
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Über die Autorin:
 
 

 
MELANIE RAABE wurde 1981 in Jena geboren. Nach dem Studium arbeitete sie tagsüber als Journalistin – und schrieb nachts heimlich Bücher. 2015 erschien DIE FALLE, 2016 folgte DIE WAHRHEIT, 2018 dann DER SCHATTEN und 2019 DIE WÄLDER. Ihre Romane wurden in 22 Sprachen übersetzt, mehrere Verfilmungen sind in Arbeit. Melanie Raabe betreibt zudem gemeinsam mit der Künstlerin Laura Kampf einen erfolgreichen wöchentlichen Podcast rund um das Thema Kreativität, „Raabe & Kampf“. Melanie Raabe lebt und arbeitet in Köln. Mit »Die Kunst des Verschwindens« verließ sie erstmals das Gebiet des traditionellen Thrillers und entführt uns in eine Welt, in der alles möglich und nichts selbstverständlich ist.
 
Quelle: btb Verlag
 
Vielen lieben Dank an den btb Verlag für das  Rezensionsexemplar.
 

Freitag, 24. Februar 2023

Rezension: Alexander Oetker * Sternenmeer: Luc Verlains delikatester Fall

Broschiert: 336 Seiten 
ISBN-13: 978-3455014860
Preis: 18,00 EUR 
E-Book: 13,99 EUR 
Reihe: 6. Teil
Erscheinungsdatum: November 2022
 
 
 
 
Inhalt:
Es ist wieder so weit und in Frankreichs Restaurants herrscht rege Aufregung, denn die Gastrokritiker von Guide Michelin reisen durchs Land und so mancher Stern gerät da ins Wanken. Auch in dem mit drei Sternen ausgezeichneten Restaurant „Villa Auguste“ kommen die Köche ins Schwitzen. Der berühmteste Kritiker nimmt Platz und wählt sein Menü. Nur leider fällt er nach der Vorspeise vom Stuhl und schwebt in Lebensgefahr. Wer möchte den Restaurantbesitzer Auguste Fontaine da eins auswischen? Oder hatte es jemand auf den Kritiker abgesehen? Oder muss man bei den Tierschützern den Täter suchen? Luc hat hier einige Ermittlungsansätze, nur welcher ist der Richtige?

Meinung:
Luc Verlain ermittelt wieder und das schon zum sechsten Mal. Wo ist die Zeit hin, ich kann mich noch genau an seinen ersten Fall erinnern. Mein absoluter Liebling ist immer noch der dritte Band, aber dieser hier klang auch  mega vielversprechend. Somit bin ich ganz klar wieder mit dabei, am Meer, in der Küche und logo beim Ermitteln. Wie mir dieser delikate Fall gefallen hat, erzähle ich euch nun.

Luc Verlain ist nun Papa von der ersten Sekunde an und genießt seine Familienauszeit in vollen Zügen. Winterlich eingekuschelt in der kleinen Cabane nah am Meer, lässt es sich gut aushalten und diesen kleinen Engel alles zeigen, was ihm so am Herzen liegt und was gibt es Schöneres als es durch Kinderaugen neu zu entdecken. Doch kurz vor Töchterchens Schlafenszeit klingelt Lucs Diensthandy und er geht überrascht dran. Ein vergifteter Restaurantkritiker lässt seine Elternzeit frühzeitig enden und er rast zu einem neuen Fall. Ugo Gennevilliers ist wohl jeden Franzosen bekannt, der Wert auf die gute Küche legt und das bedeutet, die ganze Nation kennt ihn, seit Jahrzehnten ist er der Mann, der über Aufstieg und Zerfall von Restaurants entscheidet. Diesmal hat man es auf ihm abgesehen und er liegt mit einer schlimmen Vergiftung im Krankenhaus und kämpft um sein Leben. Für Luc und seinen Kollegen fängt nun die Ermittlung an, wer steckt dahinter und da gibt es einige Ansätze. Es könnten Tierschützer sein, die die zugelieferte Foie gras vom Sohn des Restaurantbesitzers vergiftet haben. Oder sogar Streit unter Brüdern. Oder was ist mit der internen Küchenbesatzung, Verdächtige ohne Ende, Ansätze zu Haufe und jede Menge gutes Essen. Luc pendelt zwischen Ermittlung und kulinarischen Köstlichkeiten.

Ach, Frankreich und ihre Küche! Oder ohne ihre Küche kein Frankreich, man weiß es nicht, aber darauf bilden sich ja unsere Nachbarn einiges ein. Ob zu Recht, mag ich gar nicht beurteilen, dafür habe ich wohl nicht den rechten Gaumen. Aber ihre Berühmtheit ist allen bekannt und ich mag solche Bücher. Sobald es um Restaurantküchen, Delikatessen und Mord geht, bin ich dabei. Der Stress in den Profiküchen, der raue Umgangston, das hohe Pensum, was dort geleistet wird und die Abgründe, die manchen Koch ins Verderben ziehen. Eine Welt, die einen sonst verborgen bleibt und einen fragt, ob das wirklich gut für einen ist. Alexander Oetker wagt sich ins Haifischbecken der Sterneköche und entzückt mich als Leserin.

Mit diesem Setting hat der Autor ja so ins Schwarze bei mir getroffen. Mal abgesehen von der wunderbaren Landschaft und dem Meer in der Aquitaine, ist so ein Restaurant einsam und allein mit Blick aufs Blaue doch einfach herrlich. Malerisch würde auch passen. Da kommen sie nun die Gäste die Monate im voraus ihren Tisch buchen, die Kiesfahrt hinauf, um sich den Gaumen verwöhnen zu lassen. In Büchern finde ich das so toll und Alexander Oetker beschreibt es ganz wunderbar, ich mag es lieber über die Schulter meines Mannes zu schauen, was er für Köstlichkeiten für uns kreiert. Aber so muss es sein und die Sterneküche ist ja eine Welt für sich. Somit stimmt das Drumherum, dazu die vielen Ermittlungsstränge und ein Luc ihm vollem Einsatz. Kulinarisch, raffiniert und wieder beste Krimiunterhaltung. Was möchte man mehr. Für mich und das sage ich ja schon öfters etwas weniger mon cher hier und mon amour da und es wäre für mich runder. Aber vielleicht soll es so sein und ich bin dafür nicht so empfänglich, aber das ist ja eine Kleinigkeit. Der Rest passt für mich Essen, Meer, gute Figuren und Mord oder beinah Mord. Es war wieder toll.

Sternemeer ist kulinarisch, Französisch raffiniert kreiert und perfekte spannende Unterhaltung. Wieder ein richtig guter Luc Verlain Fall. Der siebte wird im November folgen und ich freu mich drauf.

Henry und ich hatten wieder eine richtig gute Zeit in Frankreich und dafür vergeben wir vier Bücherpunkte:

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Über den Autor:
 

 
Alexander Oetker, geboren 1982, ist Bestsellerautor und TV-Journalist, als Frankreich-Experte von RTL und n-tv berichtet er seit 15 Jahren über Politik und Gesellschaft der Grande Nation. Er ist zudem Kolumnist und Restaurantkritiker der Gourmetzeitschrift Der Feinschmecker. Seine Krimis um Luc Verlain sind Erfolgsgaranten im Buchhandel, für Mittwochs am Meer erhielt er die DELIA, den Literaturpreis für den besten Liebesroman des Jahres. 2022 wurde Alexander Oetker außerdem mit dem Deutsch-Französischen Freundschaftspreis des Saarlandes ausgezeichnet. Er lebt en famille zwischen Brandenburg, Berlin und der französischen Atlantikküste.
 
 
Luc Verlain - Reihe: 
 
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 1. Teil: Rezension I 2. Teil: Rezension I 3. Teil: Rezension
 

4. Teil: Rezension I 5. Teil: Rezension

 Vielen lieben Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für das Rezensionsexemplar. 
 

Freitag, 27. Januar 2023

Rezension: Ewald Arenz * Die Liebe an miesen Tagen

Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Verlag: Dumont
ISBN-13:
978-3832182045
Preis: 24,00 EUR
E-Book: 19,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Januar 2023
 
 
 
 
Inhalt:
Clara steht in ihrem Wochenendhaus auf dem Land und wartet auf die Interessenten. Dieses Haus ist mit Erinnerungen und Altlasten beladen und soll endlich wieder andere glücklich machen. Zwar mit Liebe renoviert, aber für eine Person zu viel Arbeit. So steht sie auf der Terrasse, als ein Mann um die Ecke kommt und ungewollt einen Kniefall hinlegt. Elias schaut erstaunt auf, als er zum ersten Mal Clara anschaut und sofort ist da eine bestimmte Aura zwischen den beiden. Ein Flirt, ein Spruch und eine Chemie, die sofort funktioniert. Für Elias dämmert es endlich, so kann sein Leben nicht weiterlaufen, er muss sich seinen Gefühlen stellen und mit seiner Freundin Schluss machen, weil es nicht das richtige Leben ist. Und Clara muss das Alleinsein überwinden und sich ihren Gefühlen Elias gegenüber stellen und endlich wieder lieben. Aber kann eine Liebe mit diesem Altersunterschied funktionieren? Was ist, wenn das Leben einen Strich durch die Rechnung macht? Und kann man auch nicht mehr ganz jung die große Liebe finden?

Meinung:
Ewald Arenz konnte mich schon mit „Alte Sorten“ und „Der große Sommer“ verzaubern und er hat eine ganz besondere Art, Geschichte zu erzählen. Dabei bekommen seine Worte eine Leichtigkeit, ohne an Ernsthaftigkeit zu verlieren und treffen beim Leser immer ganz genau den richtigen Ton und Gefühlslage. Nun bekam ich vom Verlag sein neustes Werk zugeschickt und war gespannt, in welche Lebenslage er uns nun wieder entführt. Wohin die Reise geht und ob mir diese gefallen hat, erzähle ich euch nun?

Clara ist Fotografin und gerade an einen Punkt, wo sie auf ihr Leben zurückschaut und sich denkt, das ist nicht meins gewesen. Sie führte eine Beziehung, die sie lösen wollte und dann eine Krebsdiagnose präsentiert bekommt. Kann man dann jemanden verlassen? Muss man den Weg mitgehen und was macht das mit einem selbst? Dazu kommt noch eine Kündigung, Eltern, die alt werden und mit ihren Aktionen alle Kinder auf Trab halten und nun Elias. Ein jüngerer Mann, ein Schauspieler und jemand, der bei Clara einen Punkt trifft, der schon lange vertrocknet gewesen zu sein schien. Sie bekommt Flügel, sie lebt auf und doch gibt es da auch viele Hürden und Lebenserfahrung, die im Weg stehen könnte.

Elias ist ein Mann, der sich schon recht gern bewundert sieht. Vielleicht auch eine Berufskrankheit, denn er ist Schauspieler und spielt nicht nur gern, sondern sich selbst auch was vor. So lebt er in einer Beziehung mit einer Frau, die er nicht liebt. Spielt seine Rolle, genießt gewisse Stunden und lässt doch bei den richtigen Fragen ein Fragezeichen stehen. Ihm ist schon lange bewusst, dass er da etwas ändern muss, aber es ist auch bequem, einen Menschen an seiner Seite zu haben, der einen bewundert. Durch Clara merkt er, dass er sich und seiner Freundin vieles verbaut, Träume nicht erfüllen kann und endlich ehrlich sein muss. Und außerdem hat es ihm diese Frau angetan. Clara älter, strenger, aber so schön und sein Herz schwingt wie schon ewig nicht mehr. Kann diese Verbindung endlich die Richtige sein?

Ewald Arenz stellt uns eine sehr interessante Frage? Woran erkenne ich, das ich das richtige Leben führe? Ja, woran eigentlich. Clara und Elias merken es, als sie den richtigen Menschen getroffen haben und feststellen, genau mit dem möchte ich die Liebe leben, eine Zukunft haben und mich festhalten. So steht das erste Drittel des Buches für die Verliebtheit, für die übersprudelnden Hormone, das Verrücktsein, das Hineinfallen und das Kennenlernen. Die Erkenntnis, mein altes Leben war falsch und bitte jetzt einen Neuanfang. Wunderbar beschrieben mit dieser Leichtigkeit, den Charme und Worten, die wohltuend sind. Überrascht hat mich, dass der Altersunterschied überhaupt keine Rolle gespielt hat. Auch wenn unsere Gesellschaft sich für tolerant hält, fällt eine älter Frau mit einem jüngeren Mann auf oder wird zum Gespräch. Hier kein Wort dazu, keine Thematisierung, fand ich ungewöhnlich, hat mich aber nicht gestört, denn ihre Leben stehen in Vordergrund.

Der zweite Abschnitt ist dann die Wende, kann eine Liebe so funktionieren, wenn keiner nach gibt. Eine Bewährungsprobe, die viele Paare durchmachen und auch diese beiden kämpfen mit und umeinander, allerdings spielen hier die Lebenszeit mit störend ein. Da gab es schon ein paar Punkte, die ich nicht ganz nachvollziehen konnte. Und dann natürlich der dritte Teil, der zum Drama wird, um dann das Umdenken einzuleiten. Ohne Frage hat der Autor hier eine wunderbare Geschichte abgeliefert. Einfühlsam, leichtfüßig und mit vielen Punkten, die nachdenklich stimmen. Aber hier gibt es einfach ein paar Stellen, die ich nicht ganz nachvollziehen kann. Clara und der Kampf um ihre Position als Nummer eins. Elias, der sich zu leicht im Leben bewegt. Und eine Krankheit, die dafür sorgt, dass man sich doch wieder findet. Ich habe es gern gelesen und klar war ich mit dem Ende versöhnt, aber so im Nachgang hatten mir seine vorherigen Werke einen ticken besser gefallen, das war runder, harmonischer, überzeugender für mich. Trotzdem, für meine wunde Seele tat die Geschichte gut, hat mich gut unterhalten und manches muss man auch einfach mal hinnehmen.

Die Liebe an miesen Tagen, ist toll erzählt, bringt Hoffnung und heilt so manche geschundene Seele. Nicht der beste Arenz, aber wieder tolle Unterhaltung in einer berauschenden Sprache.
 
Henry und ich mögen die Erzählweise unheimlich gern und vergeben vier Bücherpunkte:

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Über den Autor:
 

 
EWALD ARENZ, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Mit ›Alte Sorten‹ (DuMont 2019) stand er auf der Liste »Lieblingsbuch der Unabhängigen« 2019 und sowohl als Hardcover wie als Taschenbuch auf den SPIEGEL-Bestsellerlisten. Sein Roman ›Der große Sommer‹ (DuMont 2021) war 2021 »Lieblingsbuch der Unabhängigen« und steht ebenfalls seit Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Sein neuer Roman ›Die Liebe an miesen Tagen‹ erscheint im Januar 2023. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Fürth.
 
Quelle: Dumont Verlag
 
Weitere Werke des Autors:
 


 
Vielen lieben Dank an den Dumont Verlag für das  Rezensionsexemplar.