Mittwoch, 17. August 2016

Rezension: Delphine de Vigan * Nach einer wahren Geschichte


Gebundene Ausgabe: 350 Seiten
Verlag: Dumont
ISBN-13:
978-3832198305 
Preis: 23,00 EUR
E-Book: 18,99 EUR
Reihe: 1/1 
Erscheinungsdatum: August 2016
Übersetzer: Doris Heinemann




Inhalt:
Delphine ist nach ihrem letzten Roman ausgebrannt, diese Geschichte über ihre Mutter hat Spuren hinterlassen und große Aufmerksamkeit bei ihren Lesern. Je mehr man sie darüber ausfragt, umso mehr möchte sie einfach nur weglaufen. So nutzt sie eine Partyeinladung aus, um auf andere Gedanken zu kommen und lernt eine Frau kennen. Sie fühlt sich sofort verstanden und fasziniert. Es beginnt eine enge Freundschaft, bis Delphine von ihrem neuen Buchprojekt erzählt und ihre Freundin L. missstimmig darauf reagiert. Für Delphine bricht Stück für Stück der Autorenalltag weg und auch ihre Kraft zum Schreiben, sie steckt in einer festen Krise und wird allein von L. aufgefangen. Diese hilft ihr, steht ihr bei allem bei, und meistert mit ihr ihre Arbeit und das alles in Delphine‘s Namen, denn es darf ja keiner wissen, wie es um sie steht. Keiner weiß von dieser Frau, keiner kennt sie, Delphine spricht nicht über sie und L. ist nie zugegen, wenn Familie oder Freunde da sind. L. übernimmt immer mehr Delphine‘s Leben und wird ihr mit jedem Tag ähnlicher und es dauert lange, bis Delphine merkt, dass sie eine Gefangene in ihrem eigenen Leben ist. Wird es da schon zu spät sein? Was hat L. vor? Wie weit wird sie gehen? Und warum ist Delphine so blind?

Meinung:
Als mir das Buch vorgestellt wurde, war ich sofort von der Thematik, Wahrheit mit Fiktion zu vermischen, angetan, begeistert, fasziniert. Immerhin spielt die Autorin mit ihrem Leser und man möchte doch wissen, wie gelingt ihr das. Wie sehr beschäftigen uns Bücher über wahre Geschichten, oder nehmen wir fiktive Geschichten genauso ernst. Was macht das eine oder andere so besonders, das habe ich mich nämlich ständig gefragt und ich glaube, ich bin für beides schwer zu haben. Aber diese Mischung war wirklich unglaublich gut und gemein.

Die Tatsache ist, Delphine de Vigan ist Autorin, lebt in Paris und ihr letzter Roman war tatsächlich über ihre eigene Mutter, die den Freitod gewählt hat und von ihrer Tochter gefunden wurde. Da steigt auch unsere Geschichte ein, Buchmessen, Lesungen, Interviews und das Gefühl nicht mehr zu können. Die Beschreibungen, wie viel es der Autorin abverlangt, immer wieder darüber zu sprechen, mit ihrer eigenen persönlichen Geschichte konfrontiert zu werden und wie langsam die Kräfte schwinden, war total nachvollziehbar. Natürlich möchte sie für ihre Leser das Beste geben, keinen enttäuschen und doch kann sie nicht mehr. Dass man in einer solchem Situation anfälliger ist, konnte ich auch sehr gut verstehen. So fühlt sich eben unsere Autorin oder Delphine aus dem Buch zur Fremden L. hingezogen, weil diese sie einfach versteht, den Moment nachvollziehen kann und ihr irgendwie Kraft spendet. Das ist somit der erste Abschnitt im Buch, das Kennenlernen, im Leben des anderen auftauchen und sich verankern. Wie schleichend so ein Prozess sein kann, einer Fremden zu vertrauen, wie schnell die Phase des blinden Verstehens einsetzt und wie schnell man nichts mehr hinterfragt, beschreibt dieses Buch ganz ausgezeichnet.

Überhaupt spielt unsere Autorin gut mit uns, ganz oft fragt man sich dabei, was ist wirklich passiert und denkt gleichzeitig, das ist ja nur ein Buch. Dieses Hin und Her schalten der Gedanken macht einen großen Spannungsbogen aus und lässt einen diese Geschichte weiter lesen und weiter in die Wirrungen hinabziehen. Außerdem wird diese Geschichte aus der Vergangenheit erzählt, Delphine erzählt uns ihre Erlebnisse mit L. und immer wieder gibt sie kleine Anmerkungen, die uns zum Lesen vorantreiben und tiefer in diesen Strudel aus Wahrheit und Fiktion verwebt.

Delphine de Vigan schafft mit ihrem Schreibstil eine ganz eigene Atmosphäre, sie ist, je weiter der Roman voranschreitet düsterer, schwerer, erdrückend. Manchmal fiel es wirklich schwer die wortreichen Beschreibungen zu ertragen und nicht selber in ein tiefes Loch zu fallen. Ihre Verschmelzungen waren wirklich geschickt aufgebaut und nicht wahrnehmbar, wo jetzt das Wahre anfängt und die Fiktion aufhört. Überhaupt schwirren einen beim Lesen viele Fragen durch den Kopf. Ab wann vertraut man so blind, oder, warum spricht man nicht mit seiner Familie darüber, kann man sich selber so ins Aus verstricken. Eine absolute Horrorvorstellung und mit jedem Satz sehr geschickt eingefädelt.

Ein wirklich geschicktes Buch und ein Spiel mit der Wahrnehmung, sehr interessant erzählt und teilweise düster umgesetzt. Für mich manchmal schwer zu ertragen, da dieses drückende Gefühl mir sehr nahe ging. Aber für jeden, der böse psychische Spiele mag, ein Lesegenuss.

Henry und ich fanden, diese Geschichte faszinierend und vergeben dafür vier Bücherpunkte:

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Über die Autorin:
 


Delphine de Vigan, geboren 1966, gelang mit ›No & ich‹ (2007) der Durchbruch als Schriftstellerin. Seit dem Roman ›Das Lächeln meiner Mutter‹ (2010), der wochenlang die französische Bestsellerliste anführte, zählt sie zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Frankreichs. Sie lebt mit ihren Kindern in Paris.

Quelle: Dumont Verlag


Vielen lieben Dank an den Dumont Verlag für das  Rezensionsexemplar.


2 Kommentare:

  1. Ein neues Buch von Delphine de Vigan !!!
    Hallo erstmal ;-)
    Ich habe sowohl "No&ich" wie auch "Das Lächeln meiner Mutter" gelesen.
    Bis eben war mir das neue Buch unbekannt, hatte jedoch schon allein mit dem Klappentext meine volle Aufmerksamkeit.
    Deine Rezension ist so ansprechend, dass ich mir das Buch gleich auf den Wunschzettel setzen muss.
    Ich danke dir dafür.
    Liebe Grüße, Hibi

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    1. Hallo Hibi,

      für mich war es die erste Begegnung mit der Autorin und ich glaube nicht die Letzte. Ich freu mich sehr das meine Rezension, deine Wunschliste wachsen lässt und das ich dich begeistern kann ...

      Hab dank für deine Worte und liebe Grüße
      Sharon

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