Dienstag, 25. Oktober 2022

Rezension: Beatrix Kramlovsky * Frau in den Wellen

Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: hanserblau
ISBN-13: 
978-3446274792
Preis: 25,00 EUR
E-Book: 18,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: September 2022 
 
 
 
 
Inhalt:
Dr. Joni Lanka lebt ein unkonventionelles Leben und das schon von Kindesbeinen an. Sie ist stark, kämpft für ihre Ansichten und ist auch bereit, Opfer zu bringen. Für ihren Beruf reist sie um die Welt, lässt sich von Männern nicht klein bekommen, nein, behauptet sich sogar. Aber es ist kein leichter Weg und so ist der Drahtseilakt zwischen Familie, Kindern und Karriere nicht immer einfach zu begehen. Erst recht, wenn die Balance aus dem Ruder läuft, wenn ihr eigenes Leben durch eine Dummheit ans Licht der Öffentlichkeit gerät und von dieser zerrissen wird. Joni muss wieder fest stellen, dass die Welt für so eine Frau noch nicht bereit ist und das es wichtiger den je ist, für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Wie funktioniert das Leben von Joni? Welche Opfer kostet es sie? Und was ist passiert, das alles aus den Fugen geraten lässt?

Meinung:
Für mich ist es das zweite Buch von der Autorin, was ich lese. Mit „Fanny oder Das weiße Land“ hatte mich Beatrix Kramlovsky unglaublich beeindruckt. Diese Geschichte oder besser noch die Reise von Kriegsgefangenen, die in ihre Heimat zurückkehren, hat mich mitgenommen, sprachlich angetan und tief berührt. Und nun kommt sie mit so einer ganz anderen Geschichte, das hatte mich so überrascht und doch auch fasziniert, was wird sie hier erzählen, wie wird sie die Geschichte aufbauen und kann es mich genauso ergreifen? Das war die große Frage und die Antwort liefere ich euch jetzt.

Diesmal war der Einstieg für mich in die Geschichte nicht ganz einfach. Ich wusste nicht so recht, was Joni mir erzählen wollte, worauf wir hinarbeiten, und ich konnte Joni auch nicht zu erst greifen. Aber als dann die Verhöre ins Spiel kamen, wurde es interessant, machte neugierig und man wollte mehr über diese Frau wissen und was vorgefallen ist.

Jedes Kapitel ist einem Mann aus ihrem Leben gewidmet und erzählt nicht nur im Einstieg, wie es ihr jetzt geht, sondern schweift auch in die Vergangenheit, wo sich die Wege kreuzen und erklärt, wie Joni zu der Frau wird, die sie heute ist. So lernen wir von Joni, dass sie im Hier und Jetzt, eine Frau ist, die sich in einer Männerwelt behauptet. Sie spielt ganz oben mit, ist eine Art Analytikerin und arbeitet für Regierungen und bleibt so gern im Hintergrund. Aufgewachsen ist sie mehr bei ihrer Tante, da ihre Eltern irgendwie mehr Hippies waren und sich gern ein Stück Freiheit gönnten. Tante Federspiel war da ganz anders und sie ebnete Jonis Lebensweg. Als junge Frau macht sie eine Weltreise und begegnet dabei ihren Mann Georg, das Resultat zwei Kinder und das Leben als Botschaftsfrau. Doch sie will mehr, sie möchte sich beruflich verwirklichen und geht dazu einen unkonventionellen Weg. Sie studiert, lässt die Tochter bei den Schwiegereltern und versucht den Spagat als Mutter und Karrierefrau zu meistern. In ihrem Leben tauchen so viele Personen auf, aber nur eine Handvoll sind ihre engsten Vertrauten und dann findet sie einen Ort, denn sie Heimat nennen könnte und einen Mann, der zu ihren Leben passt. Doch die Zeit, wo man im Verborgenen leben konnte, sind vorbei und so gerät Joni‘s Leben an die Öffentlichkeit und wird zum Zerrbild der Gesellschaft.

Diese Geschichte hat so viele Themen, das man gar nicht weiß, wo man ansetzen soll. Und man muss lange darüber nachdenken, in sich gehen und es sacken lassen. Das eine große Thema ist mit Gewissheit die Emanzipation. Joni lebt ein Männerleben, ist viel unterwegs und lässt die Kinder bei ihren Mann, was in der Männerwelt völlig normal ist, zerreißt man bei einer Frau. Rabenmutter! Karrierefrau! Männerweib! Und das kann man endlos weiter ausführen. Warum kann man nicht beides? Sind wir nicht in einem Zeitalter, wo wir solches Denken abgelegt haben? Und habe nur ich das Gefühl, oder treten wir immer mehr erkämpfte Rechte wieder ab. Die Entwicklung schaudert mich und dabei lebe ich doch in einem Land mit Frauenrechten und bin privilegiert. Unterschwellig spielen hier auch Rassismus, eine große Rolle, nationalsozialistische Politik und anonymes Mobbing. Mobbing im Netz und seine Auswirkungen. Wie niedrig die Hemmschwelle ist, wie abartig feindlich die Mitmenschen ihre Meinung kundtun und wie schnell alles zu einem großen Hassmob werden kann. Und was noch mehr schockiert, das man sich nicht wirklich wehren kann. Ein großes Problem unserer Zeit und hier wirklich anschaulich und sehr eindringlich beschrieben.

Beatrix Kramlovsky hat mit ihrer Protagonisten ein wunderbares Abbild unserer Gesellschaft beschrieben. Wie gern präsentieren wir uns als Freidenkenden, tolerant, vorurteilsfrei und weltmännisch, sind es aber nicht. Wie oft lässt man sich mitreißen, ohne nachzudenken und vergisst dabei, sich selbst zu informieren. Und gerade die anonyme Socialwelt ist ein Molch an Hass und Anfeindungen. Eine wirklich tolle Geschichte, ein großes Statement, obwohl es wirklich zu viele Eckpunkte gab, um diese zu verarbeiten. Lasst uns bitte für unsere Werte einstehen, kämpfen und solche Bücher sind dazu sehr wichtig.

Frau in den Wellen ist ein gesellschaftlicher Roman, der aufzeigt, das wir noch viel für unser Recht machen müssen und das wir uns Mobbing viel mehr stellen müssen. Aktuell, klug und beeindruckend.
 


Henry und ich mussten noch lange über diese Geschichte nachdenken und vergeben vier Bücherpunkte:  
 
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Über die Autorin:
 
 
Beatrix Kramlovsky, geboren 1954, lebt als Künstlerin und Autorin in Niederösterreich. Von 1987 bis 1991 lebte sie in Ostberlin, wie Joni in Frau in den Wellen. Bei hanserblau erschienen bisher ihre Romane Die Lichtsammlerin und Fanny oder Das weiße Land
 

Vielen lieben Dank an den hanserblau Verlag für das  Rezensionsexemplar. 
 

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