Sonntag, 21. März 2021

Rezension: Ewald Arenz * Alte Sorten

Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Verlag: Dumont
ISBN-13:
978-3832183813
Preis: 20,00 EUR
E-Book: 8,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Juni 2019
 
 
 
 
Inhalt:
Sally hat die Nase voll von ihren Eltern, von der Klinik, von allen Menschen auf der Welt. Sie haut ab, will nicht gefunden werden und doch begegnet sie in einem Weinberg Liss. Diese ist gerade mit ihrem Traktor unterwegs und steckt fest, kurzerhand bittet sie das rebellische Mädchen um Hilfe. Eigentlich will Sally ablehnen, was hat sie mit der Frau schon zu tun, aber ihre Art ist anders und bevor sie sich versieht, hilft sie nicht nur Liss, sondern sitzt mit auf dem Wagen und fährt zu deren Hof. Dort bekommt sie ein Dach über den Kopf und wird in Ruhe gelassen. Diese beiden Einzelgängerinnen kommen sich dann doch näher, arbeiten zusammen und erleben das Aufblühen einer besonderen Freundschaft. Bis zu dem Tag, als alles wie ein Kartenhaus zusammenbricht und der Glaube am jeweils andern in Mitleidenschaft gerät. Aber haben sich beide Frauen so in der anderen getäuscht? Welchen Schmerz ertragen sie? Und kann ihre Freundschaft heilen?

Meinung:
Dieses Buch ist schon 2019 erschienen und liegt auch schon so lange auf meinem Bücherstapel. Eigentlich wollte ich es direkt lesen, uneigentlich kamen tausend andere Sachen dazwischen, dann kamen die Lobeshymnen auf das Buch, die begeisterten Leserstimmen und ich hatte nun Sorge, das es mich nicht abholt, einnimmt, glücklich macht. So schlummerte das hübsche Buch erst mal dahin. Nun folgt aber Ende März ein neues Buch vom Autor und da dieses auch schon eingezogen ist, ist doch jetzt die perfekte Zeit, diesen Autor kennenzulernen. Ob es sich nun lohnt, erzähle ich euch jetzt?

Die Geschichte beginnt am ersten September und wird abwechselnd aus der Sicht von Liss und Sally erzählt. So erlebt man den Verlauf ganz gut mit und hat einen Zeitrahmen. Eigentlich wird man ohne großen Firlefanz in die Geschichte hineingeworfen. Die schöne Landschaft, Liss auf ihrem Traktor, der hängen bleibt und dann Sally, die einfach wütend und genervt den Hang entlang läuft. Eine Begegnung, die beide Frauen im Laufe der Zeit zusammenwachsen lässt und offene Wunden vielleicht heilt.

Sally hat es satt, über ihr Aussehen und Verhalten zu sprechen. In ihr lauert eine Wut, die sich manchmal ungebremst zeigt. Ständige Fragen, Rechtfertigungen, Vorverurteilungen, Misstrauen kann sie einfach nicht mehr ertragen und deshalb sind Erwachsene auch ein rotes Tuch für sie. Bei Liss zu sein, ist da so anders, sie lässt Sally in Ruhe, fragt nur, wenn sie Hilfe braucht und hält sonst ihren Hof alleine in Schuss. Eine rätselhafte Frau! Aber je mehr Freiraum Sally bekommt, umso mehr möchte sie auch lernen und so arbeiten beide einträchtig zusammen. Sie ernten Kartoffeln, pflücken Birnen, kümmern sich um die Bienen und entdecken den Hof zusammen neu. Dabei lernen sie sich kennen, langsam, vorsichtig und stellen fest, das beide in ihren Leben Verletzungen erlebt haben.

Ewald Arenz braucht nicht viele Worte, um die richtige Stimmung zu schaffen, sondern er nimmt die Richtigen. Dadurch entsteht eine wunderbare Atmosphäre von Liss Hof, man hört die Bienen summen, man riecht die Birnen, man schmeckt sie sogar beim Lesen und im Hintergrund tuckert ein Traktor durchs Bild. Weinberghänge, Felder und idyllische Landwirtschaft. Darin setzt er zwei starke Persönlichkeiten, die einige innerliche Narben davon getragen haben und der Menschheit nicht unbedingt zugesprochen sind. Sie brauchen ihren Freiraum, lieben eher die Stille und Einsamkeit, bis sie feststellen, dass es zu zweit auch ganz schön ist und sie sich gegenseitig ihre Geschichten erzählen. Dieser Autor kann einfühlsam erzählen, ohne aufdringlich zu wirken oder mit Knallereffekten zuarbeiten. So ist diese Geschichte ein Entdecken, ein Stillhalten und auch ein Nachdenken.

Was mir besonders gefallen hat, sind seine gezeichneten Figuren, er kann der aufmüpfigen jungen Frau genauso eine Stimme geben wie der stillen, schicksalsgezeichneten älteren Frau. Beide fühlen sich beim Lesen authentisch und lebensecht an und man möchte sie einfach kennenlernen, ins Herz schlissen und weiterhin begleiten. Es sind wirklich die Kleinigkeiten, die Ewald Arenz beschreibt und die unsere Beobachtungsgabe schärft.

Alte Sorten ist ein großer Roman über Freundschaft, sich selbst wiederzufinden und den Mut zu haben, neu anzufangen. Wunderbar einfühlend geschrieben mit einer großartigen Atmosphäre. Lesen, schwelgen und glücklich sein.
 
Henry und ich waren begeistert von Dichte der Geschichte und der Gefühlswelt der beiden Frauen und dafür gibt es die vollen Bücherpunkte:

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Über den Autor:

 
Ewald Arenz, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. ›Alte Sorten‹ (DuMont 2019) stand auf der Shortlist »Lieblingsbuch der Unabhängigen« 2019 und platzierte sich als Hardcover wie als Taschenbuch auf den Spiegel-Bestsellerlisten. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Fürth.
 
Quelle: Dumont Verlag
 
 
Vielen lieben Dank an den Dumont Verlag für das  Rezensionsexemplar.
 

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