Donnerstag, 10. Oktober 2019

Rezension: Stig Sæterbakken * Durch die Nacht

Gebundene Ausgabe: 288 Seiten  
Verlag: Dumont  
ISBN-13: 
978-3832183653
Preis: 22,00 EUR
E-Book: 17,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Juli 2019
Übersetzer: Karl-Ludwig Wetzig




Inhalt:
Karl Meyer lebt ein durchschnittliches Leben. Er ist Zahnarzt, verheiratet, hat ein hübsches Haus und zwei Kinder. Alles läuft im Einheitstrott, das Leben hat sich bequem gemacht und ist der typische bürgerliche Standard. Aber dann begeht der achtzehnjährige Sohn Suizid und lässt eine verstörte, zerrissene Familie zurück. Die Mutter ist unter Schock, die Tochter verstummt und Karl, gibt sich die Schuld. Schon vor dem Tod, stand die Familie auf der Kippe und unter einer großen Belastungsprobe, denn Karl hatte eine Liebschaft mit der jungen Mona. Nun denkt er, dass diese Affäre daran Schuld ist, dass er sich immer mehr seiner Familie entzogen, entfremdet hat und somit der Auslöser für diese Tat war. Verzweifelt versucht er der Schuldfrage auf den Grund zu gehen und läuft am Ende doch davon. Er geht auf eine Reise, in die Slowakei, zu einem Haus, das einem mit den tiefsten Ängsten konfrontiert und dem man nachsagt, entweder gebrochen oder geheilt daraus heraus geht. Was wird Karl dort finden? Kann er mit dem Tod seines Sohnes noch umgehen? Und wird die Familie mit der Trauer fertig?

Meinung:
Durch die Nacht, wurde mir ehrlich gesagt vom gesamten Dumont Verlag ans Herz gelegt. Trotz der Schwere des Textes und des schwierigen Themas, waren alle überwältig, ergriffen und schockiert von der Eindringlichkeit des Autors. Eine Geschichte also die nachdenklich macht, einen nicht loslässt und verstört entlässt. So hatte ich das zumindest verstanden und so habe ich es auch gelesen und nun, versuche ich das alles in Worte zu kleiden, was gar nicht einfach ist.

Karl Meyer beginnt seine Geschichte mit seiner Trauer, die überwältigend, übermächtig und nicht einfach zu ertragen ist. Er ist nur noch eine Hülle, die mit Schmerz gefüllt ist und die Frage nach dem warum, lässt keinen in der Familie los. Er erinnert sich zurück, wie er seine Frau kennenlernte, wie man sich am Anfang Mühe gibt, wie sich das Gefühl einstellt, das ist es und sich ein Leben zusammen aufbaut. Die Kinder kommen, das bürgerliche Leben nimmt zu und während alle um sie herum, private Dramen erleben, ist die Familie Meyer unverwüstlich. Aber dem ist nicht so. Karl lernt auf einer Party Mona kennen und seine Gefühle leben wieder auf, es kommt frischer Wind in sein Leben und er verspricht sich so viel mehr davon, als es ist. Zurück lässt er seine Familie, seine Frau begegnet ihm mit Gleichgültigkeit, sein Sohn mit Verachtung, nur seine Tochter glaubt noch an ihm. Nachdem sich die Hochgefühle gelegt haben und Karl, langsam dämmert, was ihm dieses Abenteuer kostet, möchte er zurück, in den Schoss der Familie, aber so einfach ist es wohl nicht. Und dann passiert es, die Welt bricht zusammen und es herrscht auf ewig Nacht.

Die Geschichte wird in zwei Teilen erzählt, den ersten widmet der Autor der Familie, oder besser, dem Zerfall einer Ehe. Wie sich Routine und Gefühle verändern können, wie man unbewusst auf den Abgrund zusteuert und zu spät über die Folgen nachdenkt. Dieser erste Teil hat mich hart gepackt und es standen dort so viele Kleinigkeiten, die man selber kennt, die einen überraschten, erschreckten und sofort nachdenken liessen. Dazu die Worte über Trauer, die absolut überwältigend dieses Gefühl beschrieben, die einen mit hinabzogen, fühlen und erschrecken liessen. Wie leer man sich fühlt, wie gebrochen man ist und wie die Frage, warum, einen nicht los lässt. Für mich war es so menschlich, authentisch und schockierend, wie man solche Gefühle durch Worte transportieren kann. Wie kann man über so etwas so schreiben, was einem so nahe geht. Ich denke, dass der Autor sich schon länger mit der Dunkelheit beschäftigt haben muss, um so zu schreiben, und leider ist dieses Werk auch sein letztes Buch gewesen, denn er hat später selber Suizid begangen.

Der zweite Teil der Geschichte ist die Reise von Karl, die Reise zu sich selbst, die Reise von Egoisten. Während man im ersten Teil noch Karl verstehen konnte, auch wenn er dort nicht unbedingt gut abschneidet, macht der zweite Teil ihn für mich immer unsympathischer. Aber Trauer gibt es in vielen Formen und jeder muss wohl seine eigene Art, der Verarbeitung suchen. So reist Karl durch die Welt und hofft, auf irgendeine Erlösung. Dieser Teil blieb mir etwas zu weit weg, zu fantastisch und sehr auf einen Trip angelegt. Irgendwie hatte ich gehofft, das Karl sich eher mit dem Leben seines Sohnes befassen würde, als mit seiner Schuldfrage. Aber seine Trauer ist so tief, dass es wohl kein Entkommen gibt und so schlittert er immer tiefer in die Dunkelheit ein, ohne zu erkennen, das es noch Menschen gibt, die ihn vielleicht brauchen. Und dann das Ende. Für mich ein Hammerschlag und ich musste es zweimal lesen, weil ich die Tragweite und das Ausmaß gar nicht fassen konnte.

Durch die Nacht ist mit Sicherheit kein leichtes Buch, für mal eben zum weg lesen. Es ist eine Geschichte, die unter die Haut geht, die einen packt und durchschüttelt. Bewegend, schockierend, verwirrend und lange noch nachklingend. Eine Wucht an schonungslosen Gefühlen und starker Worten.
 
Henry und ich waren von der Wortgewalt sehr beeindruckt und vergeben die vollen Bücherpunkte:

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Über den Autor:


Stig Sæterbakken (1966–2012) gehört zu den wichtigsten norwegischen Autoren der letzten Jahrzehnte. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Essay- und Lyrikbände und arbeitete zudem als Übersetzer.

Quelle: Dumont Verlag
 
Vielen lieben Dank an den Dumont Verlag für dieses Rezensionsexemplar. 
 

2 Kommentare:

  1. Trotz aufwühlender Thematik eine sehr ansprechende Rezension, Inga.
    Wird vermerkt. Danke dafür.
    Liebe Grüße, Hibi

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    1. Hallo Hibi,

      das freut mich ungemein, vielen Dank.

      Liebe Grüße zurück :)

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