Montag, 22. Juni 2020

Rezension: Jessica Andrews * Und jetzt bin ich hier

Gebundene Ausgabe: 352 Seiten 
ISBN-13: 978-3455008210
Preis: 23,00 EUR 
E-Book: 16,99 EUR 
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: April 2020
Übersetzer: Anke Burger 


Leseprobe? Kaufen? 


Inhalt:
Lucy zieht sich nach dem Tod ihres Großvaters, in sein heruntergekommenes Cottage zurück und lässt ihr Leben Revue passieren. Was war sie über den Studienplatz in London glücklich, endlich entkommt sie der Kleinstadt ihrer Kindheit. Sie lässt die getrennten Eltern hinter sich, den taubstummen Bruder und diese Enge an Kleingeistigkeit. Denn sie weiß und bekommt es auch immer gesagt, dass sie zu Größerem bestimmt ist. Allerdings ist London nun doch eine Spur zu groß, zu schnell und hat Dimensionen, mit denen Lucy nicht sofort klar kommt. Aber Lucy schlägt sich durch, versucht, ihren Weg zu finden, um dann doch an einen Punkt zukommen, wo sie sich lieber nach der Einsamkeit sehnt und das Leben anhalten möchte. Wird sie nun an der Küste von Irland ihre Gedanken ordnen können? Was für eine trubelige Familie hat sie? Und findet sie in der Stille und Einsamkeit ihr Glück?

Meinung:
Das Buch ist mir erst gar nicht so ins Auge gefallen, aber nachdem ich einen leidenschaftlichen Beitrag einer Verlagsmitarbeiterin angehört hatte, musste ich es mir genauer anschauen. Außerdem finde ich das Cover einfach auch unglaublich toll gewählt und die Gedanken dieser jungen Frau wollte ich nun doch unbedingt kennenlernen. Nun habe ich es ruckzuck verschlungen und ob es mir gefallen hat, erzähle ich euch nun.

Jessica Andrews wählt eine sehr interessante Art und Weise der Erzählung, nämlich ganz kurze Kapitel, die eher das Gefühl von Gedanken, Erinnerungen und Stimmung wiedergeben, statt chronologisch zu berichten. Natürlich hat die Geschichte eine Chronologie, nur wird diese immer wieder unterbrochen und gibt Einblicke ins Jetzt. So fühlte ich mich zuerst etwas unsicher und überrumpelt, konnte mich nicht direkt zurechtfinden und gleichzeitig, mich aber auch den Sog an knappen Kapiteln und Emotionsgewaltigkeit nicht entziehen. Ihre Beschreibungen dieser Familie sind so hautnah, sie fühlen sich realistisch und echt an und man möchte einfach wissen, was passiert ist, wohin die Entwicklung geht und versucht alle Erzählstricke zu entwirren und für sich aufzureihen. Geschickt gemacht, auch wenn man sich manchmal auch immer wieder herausgerissen fühlt, um in die nächste Szene einzutauchen.

So lernen wir die Geschichte der Großeltern kennen, wie ihre Mutter aufgewachsen ist, wie diese ihren Vater kennenlernt und eine Familie gründet. Die Hochs und Tiefs dieser Ehe, von Alkohol und dem Leben in der Arbeiterklasse, wie es ist, als Mädchen heranzuwachsen und wie es ist, als erstes Kind, vom Zweiten abgelöst zu werden. Von Sorgen und Nöten ein behindertes Kind zu haben, unglückliche Eltern zu haben und das Auseinanderdriften derer mitzuerleben. Von Sommern in Irland, Tagträumen und das aller Hoffnungen auf Lucys Schultern gelastet werden. Und dann London, Freiheit, Hunger nach Leben und große Träume. Von der Erkenntnis, dort überfordert zu sein, zwischen Uni und Nebenjob zu jonglieren und sich ihrer Herkunft noch mehr bewusster zu sein, als je zu vor. Ein prall gefüllter Rucksack, den Lucy dabei hat und der für sie immer schwerer und schwerer wird. Bis sie die Chance nutzt und sich die Auszeit nimmt. Irland, das Haus ihres Großvaters, Erinnerungen an Sommern ihrer Kindheit und nun lange Spaziergänge und die Suche nach sich selbst.

Jessica Andrews beschreibt aber nicht nur Lucys Leben, sondern auch die Beziehung zu ihrer Mutter, denn diese Bindung ist ein wichtiger Teil in ihrem Leben. Zuerst gab es nämlich nur sie beide, sie haben sich festgehalten, verstanden und waren sich nah. Dann kam ihr Bruder und Lucy musste sich die Liebe teilen, die immer dünner wurde, da ihr Bruder mehr Aufmerksamkeit bekam. Dazu die ständige Sorge um den Vater und so sucht Lucy nach Liebe, Harmonie und echtem Familienfrieden. Erst als junge Frau versteht sie manches, kann Entscheidungen besser nachvollziehen und sich vieles neu bewusst werden. Sie ist nicht für das Scheitern ihrer Eltern verantwortlich, oder für ihr jetziges Leben, sondern sie muss ihr eignes Glück finden. Genau das fand ich ziemlich gut herausgearbeitet. Wie wir als Kinder nach Liebe greifen, manches nicht verstehen, die schuld falsch zuordnen und mit mancher Last aufwachsen. Wirklich sehr treffend, lebensecht und sehr gefühlvoll rübergebracht.

Und jetzt bin ich hier, beschreibt ein Leben, was viele vielleicht selber gut kennen, von Familie und dem eigenen Glück. Dazu ist es geschickt erzählt, mit leidenschaftlichen Emotionen und tiefen Einblicken in Lucys Gefühlswelt. Eine Geschichte, die mich fesseln und überraschen konnte, mit ihrer Poesie, ihrer rauen gewaltigen Sprache und doch dieser feinen Stimmung.
 
Henry und ich fanden diese Gefühlseinblicke einnehmend und deshalb gibt es vier Bücherpunkte:
 
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Über die Autorin:


Jessica Andrews wuchs im nordenglischen Sunderland auf und hat seither an so verschiedenen Orten wie Paris, Donegal, Barcelona und London gelebt. Ihre Prosa und Gedichte erschienen unter anderem in Independent, Somesuch Stories, AnOther und bei Papaya Press. Sie unterrichtet Literatur- und Schreibkurse und ist Mitherausgeberin des Online-Magazins The Grapevine, das in Kunst und Literatur unterrepräsentierten Autor*innen Sichtbarkeit verleihen will. Und jetzt bin ich hier ist ihr erster Roman.



Vielen lieben Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für das Rezensionsexemplar.  


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